Dark Planet – Obitaemyy ostrov
Der junge, ja, sehr junge Mak Sim hat keine Lust, etwas ernsthaftes tun und fühlt sich, sagt er seiner Mutter am Weltraumtelefon, keineswegs zu alt, um noch zu forschen – da schrammt er einen Asteroiden, verliert den Funkkontakt und stürzt auf den Planeten Saraksh ab. Sein Raumschiff explodiert, er selbst kann sich retten und findet sich in einer seltsamen Welt wieder: Hier glaubt man, auf der Innenseite einer Hohlkugel zu leben; die Bevölkerung hat sich in zwei Gruppen gespalten, die sich seit Jahren bekriegen und die eine dritte Gruppe, die seltsamen Degenerierten jagen.
Mak Sim wird gefangen genommen und strandet auf einer der beiden Seiten. Sie wird von fünf rätselhaften Machthabern regiert, die sich gegenseitig nicht besonders leiden können und ständig nur an Intrigen stricken. Immerhin hatten sie Zeit, ein System totaler Unterdrückung zu errichten, das auf der Bestrahlung der Bevölkerung mit willenslähmenden Frequenzen beruht. Doch Massaraksch! fluchen sie, denn der Widerstand bekämpft die Sendeanlagen in einem blutigen Guerillakrieg.
Jung, blond und im wahrsten Sinne des Wortes blauäugig kann Mak Sim das natürlich nicht mit ansehen. Zumal er sich soeben in die schöne Rada verguckt hat, die Schwester des Soldaten, der ihn gefangen genommen hat. So macht er praktisch überall mal mit – bei der Polizei, beim Militär, beim Widerstand – um herauszubekommen, was man wie ändern müsste, damit sich auf dem Planeten Saraksh überhaupt mal was ändert. Wie passend, dass dort eine Prophezeiung vom Befreier aus fernen Welten kündet, was ihn natürlich ins Visier der Mächtigen rückt…
Eine Arkadi-und-Boris-Strugazki-Buchverfilmung aus Russland? Seit „Wächter der Nacht“ wissen wir ja, dass die Russen zwar hübsch bunte, aber ziemlich wirre Filme machen können. Und wenn das Ganze dann noch bei einem kleinen Label wie Capelight erscheint, dann erwartet man nichts Gutes. Jedenfalls nicht, dass „Die bewohnte Insel“ hier wirklich werkgetreu verfilmt worden sein könnte.
Ist aber trotzdem so.
Mehr noch: „Dark Planet“, so der hirnrissige deutschsprachige Titel, ist außerdem ein wirklich sehenswerter Film geworden. Ein gigantomanisches Epos, das einem (im zweiteiligen Extended Cut, der einzig sehenswerten Version) fast vier Stunden lang eine wunderliche und wunderschön gefilmte Szene nach der anderen um die Ohren haut und dabei trotzdem auch vor banalsten Stellen und trivialsten Hollywood-Anleihen nicht zurückschreckt. Der Rezensent meint das ganz ernst: Wer sich auf das Abenteuer eines „Abenteuerfilms auf fernen Planeten“ einlässt, der wird angesichts des phänomenalen Aufwands, der hier getrieben wurde, durchgehend mit vor Staunen hängender Kinnlade vor diesem höchst unterhaltsamen Buntfilm sitzen, in dem es eine fiese Geheimpolizei, wahnsinnige Wissenschaftler, Monster und Mutanten, schöne Frauen und echte Freundschaft gibt.
Einige werden ihn natürlich hassen. Denn dieser oft naive und gelegentlich in visuellen Klischees gefangene, angeblich bisher teuerste russische Film wäre für sich genommen nicht im geringsten klug, hätten das Buch nicht die Strugazkis geschrieben. Ich hingegen fand ihn trotzdem ganz, ganz großartig. Denn er ist immer unterhaltsam. Und dabei oft so liebenswert, dass man ihm seine kleinen Schwächen vergibt. Etwa, dass er gelegentlich eben doch ein bisschen wirr ist. Das liegt sicher auch daran, dass hier doch reichlich Stoff verarbeitet werden musste. Und so manchen Hintergrund des Gesehenen kann man sich erst nach einiger Zeit zusammenreinem – dafür wird einem dankenswerterweise nicht alle fünf Minuten erklärt, was man gerade gesehen hat.
Wer Reviews liest, wonach man den Film überhaupt nicht verstehen könne, liest Reviews der fast auf die Hälfte gekürzten Kinoversion – die kann nämlich niemand mehr verstehen (und man muss sich schon fragen, warum diese überhaupt herausgebracht wurde). Also bitte: nur den Extended Cut (Blu-ray, 3 Discs) nehmen oder besser verzichten!
Viele Zuschauer bemängeln die Besetzung: Vor allem der muskulöse Schönling Vasiliy Stepanov fällt Fans der Maxim-Kammerer-Trilogie sicher nicht als erste Wahl für diese wichtige Figur der Strugazkis ein und hat der Sage nach den Regisseur in den Nervenzusammenbruch getrieben.
Andererseits verkörpert gerade er in meinen Augen auf wunderbare Weise den unschuldigen, naiven Forschergeist, der ohne Vorbehalte auf mögliche Feinde zugeht, der immer nur lachen, wissen und kennenlernen möchte. Ein gestrandeter Everybody’s Darling einer höherstehenden Zivilisation, der vom Drang beseelt ist, die schurkischen Regierenden abzusetzen und die Bewohner von Saraksh mit Frieden, Weisheit und Gerechtigkeit zu beglücken. Was natürlich erstens schwer ist und zweitens nicht klappt. Massaraksch!
Fazit: Buntes, etwas naives, vergleichsweise aufwändiges und sehr unterhaltsames Planeten-Abenteuer mit interessanter Message. Für Fans russischer SF ein Muss, für alle anderen mal einen Versuch wert! Aber Vorsicht: Unseren Sehgewohnheiten entspricht das ganze eben nicht immer…
Wichtig: Nur die Blu-ray „3-Disc Limited Jumbo Steelbook Edition“ nehmen! Nur sie beinhaltet neben der überflüssigen, enttäuschenden internationalen Kinofassung (120 Min.) den Extended Cut in 2 Teilen („Die bewohnte Insel“ 120 min. und „Die bewohnte Insel: Rebellion“ 107 min.) plus eine Bonus-Disc mit der Dokumentation „Dark Planet: Die bewohnte Insel – Ein Film über den Film“. Eine DVD mit dem Extended Cut gibt es derzeit nicht.
Was wir in diesem Film für’s Leben lernen:
- Panzer sind oft aus Pappe.
- Die Dinge sind nicht, was sie scheinen.
- Du kannst problemlos als Fremder ohne Pass in einem totalitären Staat bei der Polizei was werden.
- Wer die einen uns nicht kontrollieren, dann die anderen.
Infos: www.capelight.capevision.de
Die Brüder Strugazki kenne ich ein Wenig, sehr gute, phantasievolle Schriftsteller.
Ein schon Mal verfimtes Buch (Ein Gott zu sein ist schwer)
war mittelprächtig, aber auch schwer zu verfilmen.
Auf diesen Film bin ich gespannt, weil der heutige Film mehr kann als vor 20 – 30 Jahren. Und Gefühle können die Russen super rüber bringen.
Der Film, bei dem die Strugatzkis das Drehbuch schrieben: Stalker (1979, R: Andrej Tarkowski), war überwältigend.
Hier allerdings gab es mehr Erwartungen, als (in den ersten 20 Minuten, mehr hat der Berichtende nicht ausgehalten) erfüllt werden konnten…
Warscheinlich ändern sich die Sehgewohnheiten zusehends.
Bei Star Wars konnte man das ja auch bereits beobachten, vergleicht man die ersten IV, V und VI mit den neuen I, II und III. Leider.